EXPERTENDIALOG

Neue Wege wagen


Ist die Immobilien-Branche Start-ups freundlich gesonnen? Und wie wird eine Kooperation zwischen etablierten und neuen Playern zum Erfolg? Philip Rodowski, Geschäftsführer vom Start-up objego, und Henning Zander, Head of Start-up-Program der Aareal Bank, im Gespräch.

Philip Rodowski
Geschäftsführer, objego

Mit dem 2020 gegründeten Start-up objego wollen Philip Rodowski und sein Team privaten Vermietern das Leben leichter machen – mit einer digitalen Plattform, auf der sie unkompliziert die Nebenkosten abrechnen und Finanzen verwalten können. Ihr Funktionsumfang soll in enger Zusammenarbeit mit den Kunden kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die Aareal Bank sowie der Energiedienstleister ista sind als strategische Partner mit im Boot.

Henning Zander
Leiter Start-up Programm, Aareal Bank

Als Adapter zwischen Konzern und Start-ups versteht sich Henning Zander: Er ist die treibende Kraft hinter dem hauseigenen Programm mit den vier Säulen Accelerator-Programme, Kooperationen, Investments und Ventures. Zudem ist er der zentrale Ansprechpartner in der Bank, wenn es um die Zusammenarbeit mit PropTechs, FinTechs und Start-ups in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen der Bank geht.

Herr Rodowski, Herr Zander, welche Bedeutung haben Start-ups aktuell in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft?

Henning Zander: Ihre Bedeutung wächst. Während sich viele Start-ups im Immobiliensektor, sogenannte PropTechs, vor ein paar Jahren noch stark auf Makler-Services konzentriert haben, nehmen sie jetzt andere Teile der immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungskette in den Fokus. Auch wenn die Entwicklung von Start-ups in der Immobilienwirtschaft vergleichsweise zu anderen Branchen immer noch recht jung ist, mache ich zunehmend die Erfahrung, dass sich etablierte und neue Player aufeinander zubewegen, dass Gründer sich zusammentun oder es erste Übernahmen gibt.

Philip Rodowski: Dem stimme ich zu. In der DACH-Region gibt es aktuell rund 500 Start-ups im Immobilienbereich, Tendenz leicht steigend. Generell haben Start-ups für die Wohnungswirtschaft schon insofern große Bedeutung, als dass sie digitalaffine, junge Leute in die Branche bringen. Über die Start-up-Kultur wird ein neuer Interessenkreis auf diesen Wirtschaftszweig aufmerksam, das ist auf jeden Fall eine erfreuliche Entwicklung. Wir fördern die Innovation, treiben den Wettbewerb. Zudem schafft jedes Start-up Arbeitsplätze.

Ist diese Branche denn eine Start-up-freundliche?

Rodowski: Das kommt darauf an, was man unter freundlich versteht: Wenn es um die Frage geht, ob die etablierten Player offen gegenüber Start-ups sind, dann ist uns die Immobilienbranche auf jeden Fall freundlich gestimmt. Überhaupt sind die Chancen im Markt für PropTechs gigantisch. Wenn man unter freundlich allerdings versteht, dass sich ein Markt schnell und einfach disruptieren lässt, muss man genau schauen, welches Thema man sich vornimmt. In der Vergangenheit ging es oft um Prozessänderungen: Diese können leichter und vor allem schneller digitalisiert werden – Infrastrukturthemen wie zum Beispiel das Smart Home sind sicherlich deutlich herausfordernder. Zusammengefasst ist die Immobilienwirtschaft Neuerungen gegenüber sehr offen, dabei aber durch die Natur der Dinge bisweilen etwas langsam und träge. Als Start-up mit der Ambition, in dieser Branche Fuß zu fassen, muss man das wissen und einen langen Atem mitbringen.

Was sind die wichtigsten Faktoren dafür, dass eine Kooperation zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen sich zu einem beiderseitigen Erfolg entwickelt?

Zander: Zunächst müssen sich beide Seiten über ihre Erwartungshaltungen klar werden: Was wollen wir vom jeweils anderen? Wollen wir an einem Produkt arbeiten, einen Kundenzuwachs erzielen, einfach mal etwas ausprobieren? Beide Seiten müssen ein gemeinsames Thema finden und klar formulieren, wohin die Reise gehen soll. Dann ist es wichtig, dass Start-ups – egal welchen Schwerpunkt sie haben – und etablierte Player sich auf Augenhöhe begegnen. Schließlich reden wir hier von Kooperation und Partnerschaft. Es gilt, offen und ehrlich miteinander umgehen und zu verstehen, wie der jeweils andere in Grundzügen tickt. In Corporates dauern die Prozesse in der Regel etwas länger, viele Personen müssen einbezogen werden. Umgekehrt laufen in Start-ups oft bei zwei, drei Personen die Fäden zusammen – hier zählen Geschwindigkeit und Agilität. Diese Kulturunterschiede gilt es auszuhalten und zu akzeptieren. Und last but not least sollten die Partner in kleinen Schritten vorgehen, immer justieren und agil bleiben.

Rodowski: Da stimme ich absolut zu – in der Zusammenarbeit ist es immer wieder wichtig, sich vor Augen zu führen, aus welcher Welt der Partner kommt. Die Unterschiede in der Geschwindigkeit lassen sich gut ausgleichen, wenn man ein klares Bild vor Augen hat: Was will ich vom anderen lernen? Wie können wir das Beste aus beiden Welten vereinen?

Welche Rolle spielt ein branchenübergreifender Austausch bei der Entwicklung von Innovationen?

Zander: Ich halte es für extrem wichtig, über den Tellerrand der eigenen Branche hinauszuschauen, wenn auch mit Augenmaß und sehr spezifisch. Man kann von anderen Branchen zum Beispiel lernen, wie sie Projekte methodisch angehen, wie bei ihnen Partnerschaftsmodelle funktionieren, wie sie technische und konzeptionelle Themen handhaben usw. Dabei halte ich es nicht für empfehlenswert, immer wieder in die gleichen Branchen zu schauen. Für relevanter halte ich es, sich von der grundsätzlichen Fragestellung leiten zu lassen: Wer hat ein ähnliches Thema wie wir und wie geht man damit um?

Rodowski: Wir denken bei objego grundsätzlich nicht in Branchen, sondern vom Kunden her – in unserem Fall also dem privaten Vermieter. Wenn der über seine Immobilie nachdenkt, tut er das auch nicht in Branchen. Sondern er will von der grundlegenden Finanzierung bis zum Umbau der Heizungsanlage möglichst alles aus einer Hand verwalten und managen können. Ziel von objego ist es, uns als Plattform für jeden Abschnitt im Lebenszyklus einer Immobilie zu positionieren.

Wie wird sich die Rolle der Start-ups in der Immobilienwirtschaft entwickeln – und welche Rolle werden Corporates dabei spielen?

Rodowski: Kurz- bis mittelfristig wird die Anzahl der Start-ups in der Immobilienwirtschaft zunehmen und dann werden wir eine Konsolidierung sehen: Start-ups also, die sich zusammenschließen oder Corporates, die Start-ups zukaufen und sich damit Innovation und Talente sichern. Die Rollenaufteilung hingegen wird sich nicht ändern: Start-ups werden kontinuierlich als Innovator aktiv sein, Corporates sorgen für einen skalierbaren Kunden- und Marktzugang. Der Lebenszyklus einer Immobilie ist lang: In diesem Business profitieren Start-ups deshalb sehr von der Reputation eines etablierten Corporates.

Zander: Start-ups werden treibender Faktor und Innovationsmotor der Immobilienwirtschaft bleiben. Für Corporates ist es wichtig, den Markt zumindest zu beobachten oder auch im richtigen Moment zuzupacken, wenn eine Start-up-Idee oder ein Konzept eine gewisse Reife und Relevanz erreicht hat. Nicht zuletzt können Corporates auch als Plattform agieren für Start-ups, die dort andocken und ihre Angebote bündeln. Dafür ist es wichtig, die Spieler von beiden Seiten zusammenzubringen.

Welche Trends treiben die PropTech-Branche in Deutschland aktuell um? Wie werden diese sich in den nächsten Jahren entwickeln?

Rodowski: Grundsätzlich wird die Digitalisierung weiter zunehmen. Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Das gilt auch für die Immobilienwirtschaft. Die nachhaltige Entwicklung und generelle Megatrends – etwa Big Data oder Künstliche Intelligenz – werden dabei auch die PropTechs prägen.

Zander: Darüber hinaus werden wir mehr datengetriebene Geschäftsmodelle sehen: Wie lassen sich mehr Informationen aus Immobiliendaten, Nutzungs- oder Verbrauchsdaten ziehen? Das ist ein großer und anhaltender Trend.

Herr Rodowski, Herr Zander, vielen Dank für das Gespräch!

Philip Rodowski
Geschäftsführer, objego

Henning Zander
Leiter Start-up-Programm, Aareal Bank

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